Gelebte Sokratik - Das Sokratische Oktadekagon
Interview mit Norbert Lippenmeier
Sokratische Gesellschaft:
Herr, Lippenmeier, wenn man nur die Bilder der sehr schönen Bildungseinrichtung „Forum Ahlberg“, die Sie in Immenhausen bei Kassel leiten, betrachtet oder Angaben zu Ihrer Vita überfliegt, so springt ein enger Bezug Ihrer Lebenswelt, Ihrer beruflichen Arbeit zur antiken Mythologie, zur griechischen Philosophie und insbesondere zu Sokrates ins Auge. Nicht zuletzt sind Sie ja auch aktives Mitglied der Sokratischen Gesellschaft. Wie kam es in Ihrem Leben zu dieser Perspektive? Wann und wie sind Sie auf Sokrates gestoßen? In der Schule vielleicht schon? Oder später?
Norbert Lippenmeier:
Von 1972 –1982 war ich am Institut für Forensische Psychiatrie im medizinischen Fachbereich der Freien Universität Berlin beschäftigt. Aus den „Niederungen der Praxis“ kommend, war mir die dort verwendete Terminologie zunächst nicht vertraut, so mußte ich zwangsläufig viel fragen, um zu verstehen. Einige Mitarbeiter des Instituts hatten ein sehr elitäres Selbstverständnis, nur durch Fragen, war es möglich mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Prof. Dr. W. Rasch dem damaligen Institutsdirektor war dann offenbar aufgefallen, daß ich anfing aus dieser Situation eine Tugend des Fragens zu entwickeln. Es folgten später viele Gespräche über die Kunst des Fragens und es gab immer wieder neue Hinweise auf die Sokratische Maieutik. Auch in anderen Zusammenhängen gab es ähnliche Hinweise, so daß meine Neugierde geweckt war und Begann im Eigenstudium mich mit der Lehre des Sokrates zu beschäftigen.
S.G.: Sie sind nicht nur persönlich auf Sokrates als dem Urbild des Philosophen bezogen, Sie haben Sokratisches Denken sozusagen auch für Ihren Beruf bzw. in Ihrem Beruf fruchtbar gemacht.N.L.: Die in der einschlägigen Literatur verwendeten Begriffe, mit denen versucht wird, die Lehre des Sokrates zu charakterisieren, haben mich von Anfang an fasziniert. Zum Beispiel zu entdecken, welchen Anteil sie an unserer Alltagssprache haben, und welche die Zeit überdauernde Aktualität sie trotz ihres Alters und ihrer Umdeutungen haben. Ihre unmittelbare praktische Anwendbarkeit im Arbeitsfeld, hat mich nur anfänglich verblüfft. Ich habe die Begriffe sehr schnell verinnerlicht und mit in meinen Alltag genommen. Schon bei der Zeitungslektüre morgens, stoße ich auf eine Vielzahl dieser Begriffe, mit deren Hilfe es gelingt andere Dimensionen der Texte bzw. der beschriebenen Situationen besser zu verstehen.
S.G.: Der Beruf des Supervisors ist ein noch junger Beruf. Es gibt noch wenige Ausbildungsstätten an wenigen Orten, z.B. Berlin, Kassel, Salzburg. Auch der Grad der Wirkung des Supervisors ist unseres Wissens noch nicht wissenschaftlich verifiziert. Auch methodisch sind die Ansatzmöglichkeiten noch sehr offen. Ist der „Rückgriff“ auf Sokrates hierbei nur eine Verlegenheitslösung? Hätten Sie nicht auch an C.G.Jung, an Adler, an Viktor Frankl, Schopenhauers Lebensweisheiten oder Heideggers Daseinsanalyse ansetzen können?
N.L.: Manche sagen, Sokrates sei der erste Supervisor gewesen, was für mich in spezifischer Hinsicht auch plausibel ist. Was ich wie folgt begründen möchte: Sokrates hat in seinen Gesprächen darauf bestanden, verwendete Begriffe zu definieren. Dies hatte regelmäßig zur Folge, daß keine Definition aufrecht erhalten werden konnte. Damit hat er, bei den Gesprächspartnern vorhandene Konstruktionen bezüglich Ihrer Weltsicht, die diese irrtümlich für die Wahrheit hielten dekonstruiert. Die falsche Selbstsicherheit wurde krisenhaft erschüttert und damit die Voraussetzung für neue Einsichten geschaffen. Mein Verständnis von Supervision ist ähnlich. Auch wenn viele Leute Land auf, Land ab, Sokrates als Zeugen für sich und ihre Anliegen reklamieren, ist für mich der Rückgriff auf Sokrates in der Supervision keine Verlegenheitslösung, sondern im vorgenannten Sinne zwingend. Ich kann und will aber nicht bestreiten, daß mit Hilfe der Lebensweisheiten anderer Autoren wichtige Schritte zur Daseinsanalyse erfolgen können und diese deshalb auch wo dies möglich ist in die Arbeit einbezogen werden sollten.
S.G.: Ein gewisses Problem besteht für den streng philologisch oder auch philosophisch argumentierenden Kenner des Platonischen Sokrates darin, daß ontologisch angesetzte Begriffe psychologisch interpretiert werden; einfacher gesagt: Begriffe, die das Wesen des Menschen grundsätzlich zu erfragen versuchen, werden auf die lebensweltliche Erfahrung bezogen. So ist es etwa ein Unterschied, wenn ich vom sokratischen Begriff der Selbsterkenntnis, welche sich ja auf Grundgelegtheit von Erkenntnis bezieht, auf Selbstbeobachtung eines empirischen Individuum übertage.
N.L.: Sokrates hat sinngemäß gesagt, daß ein Leben, ohne sich selbst zu erkennen, ein dumpfes vor sich hindümpeln ist. Bei meinem Arbeitsansatz, haben ich dies ganz wörtlich genommen und praktisch angewendet. Aber wenn man versucht sich und die Welt zu verstehen, kann dies nur gelingen und auch dann nur in Teilen, wenn bei der Analyse, der Kontext in dem wir uns befinden einbezogen wird. So hat sich immer wieder gezeigt, daß die individuelle Selbstreflexion auch Einstieg in weiterführende Fragen der Wesensbestimmung des Seienden ist.
S.G.: Zugegeben! Nehmen wir dennoch zwei, drei Begriffe aus dem „Oktadekagon“ heraus: „Gymnastik“ etwa und modernes „Körperbewußtsein“ sind völlig unterschiedlich grundgelegt. „Anamnesis“ wiederum ist mit dem Freudschen Begriff der Verdrängung nicht vereinbar, geht es doch bei Platon um das in der Seele liegende Wissen von den Ideen, dessen „Unverborgenheit“ Wahrheit (Aletheia) kenntlich ist. „Verdrängung“ zielt nicht auf „Wahrheit“ ab. Auch der Begriff des Gewissens, der eine lange, vor allem christliche Prägung erfahren hat, ist dem Daimon des Sokrates nicht gleichzusetzen.
N.L.: Für echte Sokratiker mögen die im Oktadekagon Sokrates zugeordneten Begriffe und ihre Definition Widersprüche enthalten. Aber was ist bei dem uns überlieferten Sokrates- Wahrheit und was Dichtung? Schon die Schulen in unmittelbarer Nachfolge von Sokrates kamen zu gegensätzlichen Deutungen und Interpretationen. Jaspers sagt dazu: Sich mit Sokrates zu beschäftigen, bedeutet Veränderung, unabhängig davon, ob es sich um authentisches Quellenmaterial handelt oder nicht. Dies kann ich aus eigener Erfahrung nur nachdrücklich bestätigen.
Doch nun zu den drei von Ihnen benannten Begriffen und meinem Verständnis von diesen.
1. Gymnastik: Bei der Arbeit mit dem Oktadekagon hat speziell dieser Begriff häufig Befremden ausgelöst und wurde als deplaziert empfunden, bevor ich mein Verständnis von ihm vermittelt habe.
In der gymnazesthai wurden nackt, Leibesübungen durchgeführt. Die Gymnastik war und ist eine Form der Leibeserziehung, die das Ziel hat, durch Schulung der Bewegung, die Körperkräfte zu steigern und zu erhalten. Die Wechselwirkung von einem gesundem Körper und unserem Denken und Fühlen wird meist erst bewußt, wenn sich durch Krankheit, Alter oder z.B. durch Schmerzen Beeinträchtigungen ergeben. So können beispielsweise Zahnschmerzen daran hindern, einen klaren Gedanken zu fassen, den Gemütszustand mächtig beeinflussen und sozial unleidlich sein lassen. Ich verstehen Gymnastik quasi als Synonym für alle Maßnahmen - einer viele Bereiche- umfassenden Gesundheitsvorsorge. So verstanden steht die Gymnastik in einer Wechselbeziehung zu den anderen im Oktadekagon verwendeten Begriffen wie z.B. der Sophrosyne usw.
2.Anamnesis: Das Wiedererinnern des vormals Gewußten. Ursprünglich ist hier nach Plato, das in der Seele liegende Wissen von der Ideen gemeint. Nach meinem Verständnis, sind wir durch unsere vielfältigen Erfahrungen geprägt. Da nicht alle prägenden Erfahrungen zu unserem Wohl gewesen sind, leiden wir und unsere Umwelt nicht selten an den Folgen dieser Determinanten. Je nach Ausmaß dieser Prägungen, müssen sie als psychische Störung oder auch Krankheit gewertet werden. Da sich die Ursachen für unser aktuelles Verhalten nicht ohne weiteres erschließen, muß die Vorgeschichte die zu den Auffälligkeiten geführt hat, ermittelt werden, im medizinischen Vokabular muß die Krankengeschichte, also eine Anamnese erhoben werden. Wobei das Wiedererinnern, im Bearbeitungsprozeß der Störungen, schon Teil der Behandlung ist. Dieser Prozeß ist auch ein Ringen um die individuelle Wahrheit.
3. Daimonion: Die innere Stimme des Sokrates hat ihn davon abgelten, etwas Unrechtes zu tun. Spätere Autoren haben diese innere Stimme auch als Gewissen übersetzt. In Supervisionsgesprächen werden oft Entscheidungssituationen von professionellen Beratern, als Problem thematisiert.
Über Jahrzehnte durch viele Sozialisationsinstanzen geprägt, werden Entscheidungen häufig formal und nach Alltagsroutinen getroffen. Wenn sich Sokrates damals ähnlich verhalten hätte, gäbe es die vielen Beispiele nicht, in denen er sich durch persönlichen Mut ausgezeichnet hat. Nach meiner Beobachtung sind wir alle, durch die Sozialisationsprozesse mehr oder weniger an das Regelwerk angepaßt und verhalten uns überwiegend opportunistisch. Angenehmerweise erspart uns dies vordergründig Konflikte. Die innere Stimme des Einzelnen, ist häufig von den Erwartungen der anderen an uns überlagert, sie ist wenig kultiviert und wird demzufolge kaum wahrgenommen. Zur Herausbildung unsere Authentizität ist sie aber unverzichtbar.
S.G.: Herr, Lippenmeier, einige dieser Begriffe sind Gemeingut verschiedener griechischer Autoren, warum haben Sie diese Begriffe, welche im Oktadekagon auftauchen auf die Gestalt des historischen Sokrates fokussiert, um nicht zu sagen auf ihn projiziert? Ich denke etwa an Begriffe wie Polis, Nomos, Sophrosyne...usw.; manche Begriffe sind auch ungeheuer komplex, man denke nur an Kierkegaards Abhandlung über die Sokratische Ironie!
N.L.: Bei Sokrates ist man aus den bekannten Gründen auf Literatur aus zweiter Hand angewiesen. Das führt dazu, daß es kein einheitliches Bild von ihm gibt und er unterschiedlich ausgelegt wird.
Nehmen wir, als exemplarisches Beispiel für diese Schwierigkeit, den Begriff „Sophrosyne“. Er befand sich als eine Inschrift am alten Apollonheiligtum in Delphi und wird auf die Sieben Weisen zurückgeführt. Da es heißt, „Alles mit Maßen“ sei seine Lebensmaxime gewesen, hielt ich es für zulässig diesen Begriff ihm zuzuordnen. Ähnlich verhält es sich nach meinem Verständnis mit dem Begriff „Polis“ (der Burgberg). Das Leben von Sokrates war weitgehend von seiner beispielhaften Auseinandersetzung mit dem Gemeinwesen und dessen politischen Organen geprägt. Für mich ist Sokrates deshalb Beispiel eines mündigen Bürgers der Polis. Seit ich den Begriff Polis mit neuem Verständnis verwende, hat sich mein persönliches Verhältnis zum Gemeinwesen verändert.
Aber mit den Begriffen hat das so seine Schwierigkeiten, so muß ich immer wieder neu um das Verstehen ringen, wie z.B. beim Begriff der Ironie. Aber schon die gemeinsame Suche nach den Bedeutungsinhalten im Gespräch mit anderen, ist im hohen Maße erkenntnisgenerierend.
S.G.: Welche Schwierigkeiten sind beim Ansatzpunkt bei Sokrates zu bewältigen?
N.L.: Ohne nähere Erläuterung kann das Oktadekagon nicht als Fortbildungsveranstaltung angeboten werden. Bei uninformierten Praktikern erzeugt das Angebot erst einmal Wiederstände und löst Insuffizienzgefühle aus und führt zu der Frage: Was habe ich in meinem Berufsalltag mit den alten Philosophen zu tun? Das Philosophie so lebenspraktisch sein kann, ist erst einmal überraschend.
Im sokratischen Sinne konsequent zu sein führt ähnlich, wie in der Nachfolge Christi zur Radikalisierung, zuerst des Denkens und dann unweigerlich auch des Handelns und damit zu Konflikten, die man eigentlich vermeiden möchte. Mischt man sich aber wider besserer Einsicht nicht ein, erzeugt auch dies wieder Spannungen. Trotz der Einsicht, was alles dem Gemeinwesen zu danken ist, bin ich meiner nicht sicher, ob ich mit der letzten Konsequenz des Sokrates handeln könnte.
S.G.: Können Sie knapp darstellen, worin der Vorzug dieses Ihres Schemas für die Arbeit als Supervisor eigentlich liegt?
N.L.: Meine bisher nicht widerlegte These ist, daß man mit Hilfe des Oktadekagons auf Anhieb achtzehn Dimensionen eines Begriffes oder eines Sachverhaltes ermitteln kann. Exemplarisches Beispiel ist der im Jugendamt verwendete Begriff „Erziehungsfähigkeit“ der relevant wird, wenn es um die Entscheidung geht, ob Kinder bei ihren Eltern verbleiben können.
Das Schema der achtzehn Begriffen ist bei der ersten Darlegung in einem Fortbildungskontext rational und abstrakt. Bei der praktischen Anwendung werden erstaunlich viele Affekte mobilisiert, die einen über das Rationale hinausgehenden Lernprozesse ermöglichen.
S.G.: Was, so darf abschließend gefragt werden, fasziniert sie an der Gestalt des Sokrates am meisten?
N.L.: Die pragmatische Orientierung am konkreten Einzelbeispiel und seine Klarheit und Konsequenz bis in den Tod.
Anmerkung der Redaktion:
Die Psychologieprofessorin Dr. Emöke Bagdy von der Universität Budapest hat 1999 anläßlich des sechzigsten Geburtstag von Norbert Lippenmeier eine Laudatio gehalten. In dieser hat sie, auf das Oktadekagon und den Religionswissenschaftler Karl Kerenyi (Mythologie der Griechen) bezugnehmend, den "Psychopompos" zum zentralen Thema ihrer Ausführungen gemacht.
Norbert Lippenmeier
Das Sokratische Oktadekagon - Supervisorische Maieutik
Norbert Lippenmeier
Vorbemerkungen
Die Lehre des Sokrates wird in der Literatur u. a. durch spezifische Begriffe wie z. B. Maieutik usw. charakterisiert. Viele von diesen sind Teil unserer Alltagssprache geworden. Ohne sich mit der Genese der Begriffe beschäftigt zu haben, ist die mehrtausendjährige Wandlungsgeschichte dieser Abstraktionen im Einzelnen kaum gegenwärtig. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Begriffe ist nicht nur historisch interessant und entdeckungsreich.
Die „Sokratischen Begriffe“ erschienen mir im Kontext meiner Beratertätigkeit in psychosozialen, soziologischen und organisatorischen Arbeitsfeldern, der Lehre und Ausbildung trotz ihres Alters von höchster Aktualität und zeitloser Allgemeingültigkeit. Vor mehr als zwanzig Jahren begann ich mit diesen zu arbeiten. Aus einer Anzahl von ca. sechzig Begriffen wurden achtzehn ausgewählt, die für die beabsichtigten Text- und Gesprächsanalysen relevant und umfassend erschienen. Aus diesen habe ich ein Achtzehneck gebildet und es „Sokratisches Oktadekagon“ genannt. Die geometrische Anordnung soll bereits optisch verdeutlichen, daß zu bearbeitende Situationen, Themen oder Begriffe in das Zentrum einer mehrschichtigen Analyse gestellt werden. Leitthese ist, daß sich auf Anhieb achtzehn Dimensionen einer Sache ermitteln lassen. Bei dem Versuch der weiteren Präzisierung des Instrumentes wurden im Laufe der Zeit einige Begriffe verändert, z. B. Aporie und Spiritualität. Dadurch finden sich in der Literatur unterschiedliche Varianten des Oktadekagons. Am Prinzip des Arbeitsansatzes hat sich dadurch aber nichts Wesentliches verändert.
Für die Erarbeitung der Bedeutungsinhalte der im Oktadekagon verwendeten Begriffe wurden diese jeweils auf drei Ebenen definiert:
- bezogen auf ihren kulturhistorischen Kontext
- bezüglich ihrer alltagssprachlichen Verwendung und
- hinsichtlich ihrer Relevanz für die Beratungsarbeit.
Obwohl auch einzeln aussagekräftig, werden bei der vorgestellten Arbeitsmethode die Begriffe als miteinander verknüpftes System verstanden und angewendet. Der anfängliche Diskurs, ob sich aus den Begriffen auch Lehrsätze im Sinne von Axiomen und Paradigmen entwickeln lassen, wurde nicht weiter verfolgt. Für Lehrveranstaltungen schien es trotz des systemischen Verständnisses didaktisch notwendig und gerechtfertigt, die Einzelbegriffe zunächst isoliert zu erarbeiten und erst später wieder zusammen zu führen. Bei praktischer Anwendung des Oktadekagons wird das Begriffsystem undogmatisch als Assoziationsfolie z. B. für Situationsanalysen genutzt.
Exemplarische Anwendung des Oktadekagon in der Supervision
Exemplarisches Anwendungsbeispiel des Oktadekagon in der Supervision
Supervision
Supervision ist eine - von Berufsfeldern unabhängige - psycho- soziale und soziologische Beratungsform im Kontext beruflicher Beeinträchtigungen und Perspektiven. Bei dem nachfolgend beschriebenen Beratungsgespräch wurde das methodische Repertoire der Supervision durch die pragmatische Anwendung „Sokratischer Prinzipien“ ergänzt, d.h. psychologische und philosophische Erkenntnisse werden zur Bewältigung von Berufs- und Alltagsproblemen miteinander verknüpft.
Ein Praxisbeispiel aus dem Jugendamt
An nachfolgendem Praxisbeispiel soll exemplarisch die Arbeit mit dem Oktadekagon verdeutlicht werden. Es wurde einem Supervisionsgespräch mit Mitarbeitern eines Jugendamtes entnommen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand zentral der Begriff „ Erziehungsfähigkeit“. Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes mußte auf Grund von Auffälligkeiten in einer Familie entscheiden, ob eine Mutter erziehungsfähig ist oder das Kind zur Gefahrenabwehr „fremd plaziert“ werden mußte.
Sokrates-Statue von Prof. Dr. Ewald Rumpf, Uiversität Kassel,
im Garten des Forum Ahlberg
Analyse einer Gesprächsequenz mit Hilfe des Oktadekagons
(Die in Klammern gesetzten Zahlen sind Hinweis auf den jeweiligen Begriff des Oktadekagons auf den Bezug genommen wird. Die Reihenfolge ergibt sich aus dem Gesprächsverlauf. Nicht alle Begriffe wurden in gleicher Verteilung berücksichtigt.)
Der aus der Sprache der Juristen übernommene Terminus technicus (1) „Erziehungsfähigkeit“ suggeriert den Agenten des Gemeinwesens (7) Verfahrenssicherheit und Objektivität (12). Der Begriff (1) wurde verwendet, als ob es eine absolute Erziehungsfähigkeit oder Erziehungsunfähigkeit gäbe und damit die Entscheidungskriterien für alle Verfahrensbeteiligten eindeutig sind. Nachdem aber ermittelt wurde, daß die Gesprächsteilnehmer bei der Definition des zentralen Begriffes deutliche Unterschiede machten, war es auch möglich die Sozialarbeiter zu gewinnen, den Sachverhalt dichotom (6) zu betrachten. Durch die Gegenüberstellung beider entgegengesetzter Pole der Erziehungsfähigkeit kam es zu einem Diskurs darüber, an welchem Punkt der Koordinatenachse die „Erziehungsfähigkeit“ der Mutter konkret einzuordnen ist. Eine weitere Differenzierung der anfänglichen Einschätzung war erreicht. Nach Auffassung der Jugendamtsmitarbeiter war die aktuelle Krise (3) in der Lebenssituation des Kindes Auslöser für den Entscheidungsbedarf der Behörde. Bei der weiteren Situationsanalyse vermieden die Mitarbeiter zunächst selbstkritisch zu fragen, warum es trotz längerer professioneller Betreuung der Familie überhaupt zu der aktuellen Krise kommen konnte? Die Mutter schien mit ihrem Verhalten als Verursacherin („Schuldige“) (8., 10. u. 13.) festzustehen, was für die Mitarbeiter einfach, bequem und persönlich entlastend war. Die Schuldzuweisungen gingen über die rein rechtliche Würdigung des Sachverhaltes hinaus. Es wurde z.T. implizit und wie es schien unreflektiert auf eine höhere, von Gott gewollte, Ordnung (8. u. 13.) Bezug genommen, gegen die von der Mutter fahrlässig oder vorsätzlich verstoßen wurde, was sanktioniert werden mußte.
Es erscheint immer etwas zynisch, wenn wohlbestallte Experten trotz aller Erkenntnisse über verhaltensbestimmende Determinanten, vielleicht sogar bei eigener Suchtstruktur, von der uneingeschränkten „freien“ Willensentscheidung des „ Delinquenten“ sprechen. Das Eingeständnis des eigenen professionellen Unvermögens (14) in der langen Vorgeschichte (4) der Familienbetreuung war quälend und stellte die verschiedenen, immer „fachlich“ begründeten, aber letztlich unwirksamen und eventuell kontraproduktiven Interventionen in der Vergangenheit in Frage (12). Die eigene Professionalität geriet dadurch auf den Prüfstand und das berufliche Selbstverständnis in die Krise (3), nachdem auch die nachträglichen Rechtfertigungsversuche als solche offenkundig wurden (12.). Es wurde dann daran gearbeitet, dies nicht nur als einen unangenehmen depressiv machenden Zustand zu begreifen, der möglichst schnell zu überwinden ist, sondern als Chance für die Überprüfung beruflicher Alltagsroutinen (12.) zu verstehen und als Potential für Veränderung zu erkennen (12.).
Der Hinweis der Mitarbeiterin auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Kindesmutter führte dazu, sich gemeinsam das Beziehungsgefüge (15.) aller Verfahrensbeteiligten zueinander näher anzusehen. Denn nicht nur die Beziehung der Mutter zu dem Kind erwies sich in diesem Kontext als relevant. Auch die Beziehung der Sozialarbeiter zur Mutter, zum Kind, zum Richter, der die letzte Entscheidung treffen mußte und sogar zu den Kollegen im Amt und zum Vorgesetzten spielen bei der Entscheidung über den Verbleib des Kindes eine wesentliche Rolle (12.), ohne daß dies hinreichend bewußt war. Des Weiteren waren die unterschiedlichen Wertvorstellungen (10.) der Verfahrensbeteiligten hinsichtlich der „richtigen“ Kinderversorgung bedeutsam. Das Gemeinwesen (7.) definiert diese zwar abstrakt in formalen Richtlinien, aber schon die subjektive Auslegung durch seine Mitarbeiter ist mit den offiziellen Zielsetzungen nicht deckungsgleich. Die diesbezügliche Auffassung der Mutter unterschied sich offensichtlich ebenfalls noch einmal deutlich davon. Ein Konsens über die Zielsetzung der Zusammenarbeit lag also nicht vor. Trotz offensichtlich negativer Affekte gegenüber der Kindesmutter war die Sozialarbeiterin auffällig unbeteiligt. Erst nach Aufforderung versuchte sie sich in die Rolle und Situation der Mutter zu versetzen und punktuell Verständnis zu entwickeln und deren Lebenssituation nach zu fühlen. Bis zu diesem Punkt der Entscheidungsfindung war sie überwiegend extrinsisch an den äußeren Vorgaben orientiert. Die eigene innere Stimme (5.) zum Sachverhalt schien wenig kultiviert oder wurde nicht wahrgenommen. Aber auch dem von den Organen der Polis als abweichend definiertem Verhalten lag eine subjektive psychische Plausibilität (12.) zu Grunde. Allgemeine Aussagen der Mutter hätten durch Beschreibungen von Einzelsituationen soweit konkretisiert werden können, daß emotional Erlebtes rekonstruiert worden wäre. Daraus hätten sich im dritten Schritt gemeinsam mit der Mutter Verhaltensmuster ableiten lassen, die auch in anderen Situationen relevant sind (9.). Durch spontan in der Gesprächsrunde erhobene anamnestische Daten zur Lebenssituation der Kindesmutter (4.) wurden die aktuellen Auffälligkeiten im Sozialverhalten der Kindesmutter wenn auch nicht akzeptabel so doch verständlicher. Für diesen wichtigen Arbeitsschritt schien in der zurückliegenden Betreuungszeit entweder das Rüstzeug oder die Bereitschaft zu fehlen. Eine Erfahrung, die schon in unterschiedlichen Arbeitsfeldern gemacht werden konnte. Damit konfrontiert, argumentierte die Sozialarbeiterin zunächst mit der fehlenden Zeit. Dem Vermeidungsverhalten lag offenbar eine unbewußte Angst zugrunde, durch die Exploration Geister herbeizurufen, die nicht mehr kontrollierbar sind. Es bestand die Angst vor der eigenen professionellen Insuffizienz, wenn die psychischen Probleme der Mutter offenkundig würden. Ein weiterer Rechtfertigungsversuch lautete „ich würde ja gerne, aber der Anstellungsträger läßt mich ja nicht“. Durch diesen Mangel an Empathie wurde der emotionale Zugang zur Kindesmutter erschwert bzw. verunmöglicht. Die subjektive Folgerichtigkeit des mißbilligten Verhaltens konnte nicht einmal in Teilen erfaßt werden. Dadurch gelang es der Sozialarbeiterin nicht, ein die Veränderung tragendes Arbeitsbündnis (Konsens über die Ziele) mit der Mutter herzustellen. Kreative Problemlösungen im Vorfeld konnten so nicht erarbeitet werden. Die Reaktionsmuster der Behördenvertreterin auf das „Unvermögen“ der Mutter reichten in der zurückliegenden Zeit immer wieder von übereilt bis zur absoluten Untätigkeit. Es wurde u.a. auch deutlich, daß durch die Art, wie sie in der zurückliegenden Zeit das Verhalten der Mutter kritisierte, deren Selbstwertgefühl weiter herabgesetzt worden ist. Viele der aktuellen Schwierigkeiten der Mutter resultierten aber offensichtlich aus mangelndem Selbstbewußtsein, so z. B. ihre geringe Fähigkeit, sich gegenüber unterschiedlichsten Verführungssituationen abzugrenzen. Das heißt letztlich, daß die Sozialarbeiterin durch ihre Interventionen Symptome paradoxerweise verstärkt hat, die sie eigentlich abstellen sollte. Mit dem ironischen Hinweis „jeder hat die Klienten, die er verdient“ (2.) Konnten die Eigenanteile der Mitarbeiterin an der Entwicklung anschaulich und einprägsam verdeutlicht werden.
Wie durch Schilderungen deutlich wurde, hatte das Gewaltmonopol die Agenten bei Jugendamt und Justiz offenbar in früheren Betreuungsphasen verführt, repressiv oder unverantwortlich Laissez faire zu reagieren. Da sich die Verhaltensauffälligkeiten der Mutter wiederholten und insofern vergleichbar waren, gaben die widersprüchlichen Interventionen wenig Orientierungshilfe.
Vom „Fall“ unabhängige Verallgemeinerungen
Wenn Jugendsamtsmitarbeiter der Auffassung sind, daß die Mutter „erziehungsunfähig“ ist, besteht die Gefahr, daß in der Stellungnahme für das Gericht nur Einzelbeispiele, die das Fehlverhalten der Mutter belegen, ausgewählt und generalisiert (9.) werden. Da Berichte immer entsprechend der verfolgten Intention abgefaßt werden, ist diese besonders zu reflektieren (14.). Feindselige Gefühle sind schlechte Ratgeber. Paradoxien beruflichen Handelns ergeben sich manchmal, wenn Klienten z. B. besonders anstrengend erlebt werden und ein aufwendiger Arbeitseinsatz im nachhinein sinnlos erscheint. Bei überarbeiteten Mitarbeitern kann, entgegen einer ursprünglichen humanistisch geprägten Motivation bei der Berufswahl , der Klient auch schon einmal als Feind gesehen werden, der den Mitarbeiter vorsätzlich quälen will. Ist dieser Zustand erreicht, können Symptome des Klienten nicht mehr als solche erkannt werden. Es werden Boshaftigkeiten unterstellt und gezielte Attacken erlebt. Aber auch soziale Auffälligkeiten haben Symptomcharakter. Der Arzt verübelt dem Patienten ja hoffentlich auch nicht einen entzündeten Blinddarm und glaubt in diesem einen Angriff wahrzunehmen.
Für die mit Entscheidungsbefugnis ausgestatteten Fachleute in Behörden ist ein kreativer Umgang mit dem Nichtwissen (11.) nicht üblich. Bei den multiplen Wirkfaktoren in der Dynamik einer Familie wäre der reflektierte Umgang mit dem „Nichtwissen“ (11.) aber durchaus Erkenntnis generierend. Es würde ein anderes Suchverhalten begründen als es bei „Wissenden“ und „Verstehenden“ vorausgesetzt werden kann. Wie Platons Höhlenbeispiel veranschaulicht, ist vieles anders als es scheint (vergl. Platon, Staat 7. Buch ). Durch einen professionellen Umgang mit dem „Nichtwissen“ würde u.a. auch verstärkt auf die eigenen Anteile (14.) der Verfahrensbeteiligten geachtet wie z.B. auf persönliche Animositäten und Affinitäten gegenüber dem Hilfsbedürftigen und seinen Problemen. Da der rechte Zeitpunkt (18.) für die Abwendung der Krise im konkreten Fall offenbar schon überschritten war, wurde es um so schwieriger das rechte Maß (16.) bei der anstehenden Entscheidung zu finden. Ähnlich wie bei der Medikation besteht auch bei Interventionen im sozialen Kontext immer die Gefahr der Unter- oder Überdosierung.
Gesprächsergebnis
Das kritische Hinterfragen des Begriffs (1.) „Erziehungsfähigkeit“ mit Hilfe des Sokratischen Oktadekagons hatte weitreichende Folgen. Die vorgetragene Plausibilität (12.) des Entscheidungsprozesses wurde als Konstruktion einer spezifischen Lebenswirklichkeit offenkundig. Bei deren Dekonstruktion wurde deutlich, daß eine Vielzahl bedenkenswerter Variablen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, wie z.B. die Vorgeschichte der Entscheidungssituation, das Beziehungsgefüge der Verfahrensbeteiligten, die Reflexion der eigenen Anteile an der aktuellen Situation, die unzureichende Definition des zentralen Begriffes, das rechte Maß und der rechte Zeitpunkt für die Intervention usw.. Die „falsche“ Selbstsicherheit der Pofis bedurfte der krisenhaften Erschütterung, um die Bereitschaft zu wecken, sich für neue Einsichten zu öffnen. Wo sich zunächst schon ein Konsens abzuzeichnen schien, mußte nun mühsam neu um die Entscheidung unter Berücksichtigung weiterer Dimensionen gerungen werden. Dem Entscheidungsgegenstand mit seinen komplexen Facetten war dies wohl auch angemessen.
Das Bildungszentrum Forum Ahlberg (Luftaufnahme)
Zusammenfassung
Für Praktiker ist es in der Regel zunächst nicht üblich, bei der Bewältigung von Problemen des Berufsalltags Erkenntnisse der Philosophie heranzuziehen. Sokrates scheint trotz der inzwischen vielfältig existierenden Literatur für Ungeübte zunächst wenig alltagstauglich. Bei den Teilnehmern von Veranstaltungen auf der Grundlage des Oktadekagons löst es immer wieder Erstaunen aus, wie praxisnah die scheinbar ach so kognitiv erscheinenden Begriffe sind, wenn sie auf den eigenen Arbeitsalltag angewendet werden. Dies löst u.U. sogar heftige Affekte aus, was auch beabsichtigt ist, da lerntheoretisch emotionale Betroffenheit dauerhaft wirksamer ist als ausschließlich rationale Einsichten. Viele Beispiele belegen, daß wir uns alle häufig wider besseren Wissens verhalten wie z.B. beim Rauchen, Essen, Trinken usw.. Bloße Appelle an das Verstehen haben selten die erhoffte Wirkung bei der angestrebten Verhaltenskorrektur. Ein erfolgreicher Lernprozeß bedarf deshalb der angemessenen Dosierung von Kognition und Emotion. Wie aber ist das rechte Maß zu ermitteln? Eine nicht nur für Lehrer relevante Frage. Bei allen Entscheidungen gibt es bezüglich des zu Viel oder zu Wenig keine letzte Sicherheit und deshalb die Notwendigkeit, unentwegt und prozeßhaft um das rechte Maß zu ringen.
Das Sokratische Oktadekagon ermöglicht durch seine Systematik einen erweiterten Blick auf Situationen, Themen und Begriffe. Komplexe Sachverhalte und deren Einschätzung lassen sich auf neue Weise auf den „Begriff“(1) bringen. Dadurch wird Handlungsfähigkeit auf anderer Ebene wieder hergestellt bzw. erweitert. Wenn z.B. aus Angst vor Konsequenzen, die auf Grund von Einsichten zu ziehen wären, Denkabbrüche deutlich werden, ermöglicht bereits diese Erkenntnis neue Entscheidungen.
Mit Hilfe des Instruments des Oktadekagon lassen sich zielgenaue Fragen stellen. Ein nicht endender spezifischer Suchprozeß wird ermöglicht, bei dem sehr konkret erfahrbar wird, daß Antworten nur vorläufiger Natur sind. Bei der Sehnsucht nach Sicherheit ist dies oft schwer erträglich, andererseits kann es aber auch entlasten und vor Zusammenhänge verkürzendem Dogmatismus bewahren. Die Einsicht in den Alltag umzusetzen, daß der Weg das Ziel ist, bedarf großer Disziplin, um daraus eine Haltung werden zu lassen.
Aus eigener Erfahrung kann die Aussage von Jasper: „Sich mit Sokrates zu beschäftigen führt zwangsläufig zur Veränderung, unabhängig davon, ob es sich um Sokrates’ Wahrheit oder Dichtung handelt“, (vergl. Jasper 1957) nur bestätigt werden. Intention bei der Arbeit mit dem Oktadekagon ist die Sensibilisierung für bestimmte Grundprinzipien wie z.B. die Einsicht in die generelle Schwierigkeit des Verstehens oder das rechte Maß (16) betreffend. Die Fähigkeit, Situationen mit Hilfe der Begriffe des Oktadekagons zu analysieren, kann bereits bei der morgendlichen Zeitungslektüre geübt werden. Wo sprachliche Übertreibungen (Maßlosigkeiten) und Horrorszenarien (Krisen) vorsätzliche Manipulationen (Ethos), Berichte über das Gemeinwesen (Polis)und das Beziehungsgefüge (Eros) der Menschen zu einander ins Auge springen. Die Arbeit mit dem Oktadekagon hat sich seit fünfzehn Jahren als zusätzlicher theoretischer Hintergrund in Lehre und Praxis bewährt. Wie sich u.a. bei den teilnehmenden Studenten gezeigt hat, wird hier im Sinne der sokratischen Maieutik Geburtshilfe für neue Sichtweisen geleistet. Die im Oktadekagon verwendeten Begriffe und ihre Intention werden schnell internalisiert und zum eigenen Habitus. Es entwickelt sich langsam eine Grundhaltung des Fragens und Differenzierens.
Veranstaltungen zum Thema
Seminare, Kongresse und Fortbildungsangebote zum Thema „Sokratisches“ Oktadekagon
Auf der Grundlage des Sokratischen Oktadekagons wurden über mehrere Jahre Lehrveranstaltungen in den postgradualen Diplom Studiengängen für Supervision an den Universitäten in Kassel und Budapest durchgeführt. Eine Vielzahl von schriftlichen Aus- und Diplomarbeiten entstanden zum Thema oder waren Gegenstand mündlicher Hauptprüfungen. Von 1980 bis 1990 wurden zu einzelnen Begriffen des Oktadekagons für die Sektion Sozialtherapie im Deutschen Arbeitskreis für Gruppendynamik und Gruppenpsychotherapie vielfältige Seminar durchgeführt. Seit fünfzehn Jahren werden ein bis zwei Veranstaltungen pro Jahr zu einzelnen Begriffen des Oktadekagons im Institut für Beratung und Weiterbildung „Forum Ahlberg“ (Immenhausen) angeboten. 1991 wurde beim internationalen Supervisionskongreß an der Gesamthochschule in Kassel eine Arbeitsgruppe Fallanalyse auf der Grundlage des Oktadekagons angeboten. 1992 erfolgte ein Auftrag des niederländischen Berufsverbandes für Supervisoren, eine mehrtägige Fortbildung für Dozenten und Lehrsupervisoren an der Hochschule in Nimwegen/ Niederlanden durchzuführen. 1994 war im Sommersemester im Supervisionskolloquium der Gesamthochschule Kassel das Oktadekagon einer von zehn methodischen Arbeitsansätzen, mit dem vergleichend ein Supervisionsprotokoll untersucht wurde. 1996 wurde das Oktadekagon im Rahmen einer Fortbildung für ÄrzteInnen der Sektion Klinik und Praxis im Deutschen Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik in Bad Wildungen vorgestellt. 1999 erfolgten Einladungen, das Oktadekagon beim 2.Weltkongreß für Psychotherapie in Wien und beim Kongreß des Inscape – Fortbildungsinstitut für Psychoanalyse, Supervision und Organisationsentwicklung - in Coesfeld vorzustellen. 2001 und 2002 wurde jeweils eine einwöchige Veranstaltung mit Studenten der Universität Kassel in Südfrankreich zum Thema durchgeführt. Am 30. Juni 2006 war ein Referat über das Oktadekagon ein Teil des Festprogramms zur Feier „30-Jahre-Supervision an der Universität Kassel“.
Für Lehrzwecke wurde das Sokratische Oktadekagon ins Niederländische, Ungarische und Chinesische übersetzt.
Literatur:
Jasper, Karl
Die großen Philosophen. Piper Verlag, München 1957
Lippenmeier, Norbert
Die Bedeutung des sokratischen Prinzips für den Supervisionsprozeß. In: Pühl, H. (Hrsg.): Handbuch der Supervision Edition Marhold, Berlin 1990, S. 412- 421
Lippenmeier, Norbert
Sprachverwirrung verstehen. In: Pühl, H. (Hrsg.): Handbuch der Supervision 2 Edition Mahrhold, Berlin 1994, S.63- 68
Lippenmeier, Norbert
Axiome aus dem Sokratischen Dialog als Grundlage einer Fortbildung für Lehrsupervisoren In: Boettcher, W. u G. Leuschner (Hrsg.): Lehrsupervision – Beiträge zur Konzeptentwicklung Dr. Heinz Kersting Verlag, Aachen 1989 u. 1990, S. 255- 272
Lippenmeier, Norbert
Analyse eines Fallbeispiels aus einer Supervisions Gruppe mit Hilfe der Axiome des Sokratischen Dialogs. In: Lippenmeier, N. (Hrsg.): Beiträge zur Supervision Bd. 7, Gesamthochschul- Bibliothek - Kassel 1991, S. 288 – 304
Lippenmeier, Norbert
Fall-Analyse. In: Lippenmeier, N. (Hrsg.): Beiträge zur Super- vision Bd. 10, Universitätsbibliothek Kassel 1995 S.84 –100
Lippenmeier, Norbert
Des Kaisers neue Kleider- Verführung in und durch Supervision Freie Assoziation - Zeitschrift im Daedalus Verlag Münster 2000, S.385- 392
Platon
Höhlengleichnis Staat, 7.Buch