34. Sokratisches Treffen

Termin:
Samstag, den 13. und Sonntag, den 14. März 2010 an der Universität Freiburg i. B.

Programm


Prof. Dr. Claude Conter, Luxemburg:

Laudatio anlässlich der Verleihung der Goldenen Eule an Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Weber

Der Laudator würdigt den Geehrten als Wissenschaftler und vielseitigen Schriftsteller, als „skeptischen Epikureer“, als „Physiker und Mathematiker in der Tradition eines d’Alembert und Diderot“ und als Humanisten, dem das Streben nach geistigen Werten moralische Verpflichtung wie Herzensangelegenheit ist und dessen Lebens- und Geisteshaltung in diesem Sinne sokratisch genannt werden darf.

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Weber, Bochum:

Dankrede des Geehrten

Der mit der GOLDENENEN EULE der Sokratischen Gesellschaft im Jahre 2010 ausgezeichnete Prof. Wolfgang Weber bedankt sich zunächst mit ein paar Worten für diese hohe Ehrung und betont anschließend seine Verpflichtung dazu, sich mit einem zur Sokratischen Gesellschaft passenden Vortrag angemessen zu bedanken. Er wählt dazu ein Thema, das man zusammenfassend

DIE ACHTUNG DER MENSCHENRECHTE UND IHRE HISTORISCHE ENTWICKLUNG ZWISCHEN ANTIKE UND GEGENWART

nennen dürfte.

Prof. Dr. Wulf Metz, Mühldorf/Inn:

Lebensgefühl und Lebensweise in China heute. Beobachtungen und Gedanken eines etwas parteiischen China-Touristen

Seit etwa 30 Jahren bestimmt ein rasanter ökonomischer Fortschritt die gesellschaftliche Entwicklung im „Reich der Mitte“. Der Einfluss westlicher Lebensweise nimmt ständig zu. An vielen Beispielen kann man den „Sog der Wohlfühlwelle“ verdeutlichen. Voraussetzung für eine weitere gedeihliche Entwicklung ist der gesellschaftliche Frieden, dessen Segnungen sich ganz erheblich ins Privatleben auswirken. Um hier nichts zu riskieren, muss man wachsam die „Gefährdungen und Bedrohungen der Wohlfühlgesellschaft“ registrieren. Der Kampf dagegen ist Sache von Partei und Regierung, der viele dankbar vertrauen.

Was der Chinese nie wieder verlieren möchte, ist die „Privatsphäre als Wohlfühlbereich“, wobei das beglückende „Private“ durchaus „Öffentlichkeitscharakter“ trägt und wenig mit der Intimität westlicher Privatheit zu tun hat.

Prof. Dr. Michael Erler, Würzburg:

Ironie und Wahrheitssuche. Zum Sokratesbild in Ficinos argumenta zu den kleineren platonischen Dialogen

Ficino verdanken wir die für lange Zeit maßgebliche Übertragung des Platonischen Oeuvres ins Lateinische. Ficino verdanken wir zudem einflußreiche Interpretationen der Platonischen Dialoge in umfangreichen Kommentaren, aber auch in kürzeren Darstellungen, die von ihm als argumentum bezeichnet werden. In diesen argumenta tritt uns der getreue Platonübersetzer Ficino als ein Platon-Interpret gegenüber, der sich offenbar von dem zur seiner Zeit gängigen, eher von Aristoteles geprägten Bild griechischer Philosophie absetzen möchte und dies mit Hilfe des christlich getönten, neuplatonischen Deutungsparadigmas der pagan-christlichen Spätantike anstrebt. Ficino legt dabei einen sehr starken Akzent auf platonische Theologie und Theorie, so daß man bisweilen eine Diskrepanz zwischen dem Übersetzer und dem Interpreten Ficino gesehen hat. Nun ist nicht zu bestreiten, dass Ficino eigene Akzente setzt. Doch sollten dabei Elemente der Kontinuität mit kaiserzeitlichem Platonismus und mit Platon selbst nicht übersehen werden. Dis läßt sich besonders gut an Ficinos Analyse von Sokrates’ Gesprächführung, aber auch und gerade in der Auffassung von Sokrates als Gnadengeschenk Gottes zeigen. Da Ficino kaum einen Unterschied zwischen dem historischen Sokrates und Platons Sokratesfigur macht, kann er aus den Regeln Sokratischer Gesprächsführung Rückschlüsse auf die Grundlagen der platonischen Dialoggestaltung ziehen und Sokrates’ Methode zum Leitfaden seiner Platonexegese machen. Eine Betrachtung von Ficinos Sokratesbild gibt nicht nur Ficinos Vorstellung von Sokrates, sondern auch seiner Platonhermeutik Profil.

Hannelie Schmitt, Köln:

Maurisches Erbe und Gärten in Andalusien (Vortrag mit Lichtbildern)

Seit dem Ende der Reconquista mit dem Fall Granadas 1492 wurde das maurische Erbe in Geschichte und Kultur Spaniens systematisch verdrängt. Dabei war die mehr als 700 Jahre währende maurische Herrschaft eine Blütezeit von Kunst, Wissenschaft und auch weltanschaulicher und religiöser Toleranz.

Erst seit dem Ende des Franco-Regimes besinnt man sich auf diesen Reichtum an Architektur und technischen Leistungen, von denen man heute noch profitiert, beispielsweise den kunstvollen Bewässerungsanlagen.

Die Gartenkultur hat ihren Ursprung im alten Orient und erreichte an den maurischen Gärten in Andalusien gestalterische Höhepunkte. Nur noch wenige originale Gartenanlagen sind erhalten oder werden restauriert, aber maurische Elemente sind in vielen Gärten, ebenso wie in der Architektur, deutlich zu spüren. Nicht in der Renaissance, aber wieder im 19. und 20. Jahrhundert. Die Bilder zeigen Beispiele aus Malaga, Ronda, Sevilla, Cordoba und natürlich Granada mit der Alhambra und dem Generalife.

Prof. Dr. Rainer Hauer, Graz:

„Sprich, damit ich Dich sehe“, sagt Sokrates

Die Entwicklung der menschlichen Sprache erfasste, wie man heute meint, einen Zeitraum von etwa zwei Millionen Jahren und erfolgte ausschließlich über das Gehör. Die Erfindung der Schrift aber vor gut 5000 Jahren, die Erfindung der nachfolgenden Buchdruckerkunst vor 500 Jahren und die neuerdings möglich gewordene elektronische Verarbeitung von Sprache führten und führen zweifellos zu einer beschleunigten kulturellen Weiterentwicklung der Menschheit. Aber gereicht uns das nur zum Segen? Schon Sokrates verweigerte sich allem Schriftlichen mit dem feinsinnigen Hinweis darauf, dass die Schrift nur ein Mittel zur besseren Erinnerung schaffe und somit der Vergessenheit diene, aber kein Selbstbesinnen bewirke und nicht das Gedächtnis trainiere.

Wir müssen versuchen, unser Gefühl für die „gelautete“ Sprache wachzuhalten oder wieder zu wecken und auch für das entsprechende natürliche Hören. Und insbesondere gilt es, Babys und Kleinkinder vor der Informationsflut der elektronischen Medien zu bewahren, der sie schon rein genetisch nicht gewachsen sein können. Auch möge uns bewusst sein, dass das Ohr, mit dessen Hilfe wir Sprache erlernen und üben, auch das wichtigste Sinnesorgan für die Energiezufuhr zur Hirnrinde ist und sich mit ungefähr 90% daran beteiligt.

Sprache ist nicht nur ein Werkzeug der Verständigung, sondern auch des Verstandes, wobei Sprache und Kognition einander stimulieren, sodaß man von einer „Ko-Evolution von Sprache und Kognition“ ausgehen kann.

Und unüberbietbar bleibt auch in Zukunft die nachhaltige Wirkung eines live-Gespräches von Person zu Person, zu dem auch schon Sokrates aufrief.